Familie B.
Im Frühjahr 2007, meine Tochter war 14, traten für mich sichtbar Waschzwänge bei ihr auf. Später erzählte sie mir, dass sie schon viel früher Zwangsgedanken hatte.
Erster Anlaufpunkt war für mich eine Beratungsstelle der Diakonie. Dort der Verweis an einen Psychotherapeuten. Da meine Tochter wegen der Zwänge kaum noch das Haus verließ und demzufolge kaum die Schule besuchte, riet der Therapeut zur Vorstellung meiner Tochter in der psychiatrischen Klinikambulanz Erfurt. Dort wollte man sie sofort stationär aufnehmen. In der KJP verbrachte sie 16 Wochen, wurde auf Medikamente eingestellt.
Danach folgte die Wiederholung der Klasse 9, allerdings wurden die Zwänge wieder sehr stark, trotz ambulanter Therapie. Sie verbrachte ihre Tage mehr und mehr im Bett anstatt in der Schule.
Ich suchte im Internet nach Kliniken, die auf Zwänge spezialisiert waren, tauschte mich im Forum der Deutschen Gesellschaft für Zwangserkrankungen mit anderen Betroffenen aus, besuchte ein Angehörigenseminar .
Ich stellte Doro in der Uniklinik Leipzig vor, wo sie im April 2009 wieder stationär aufgenommen und auf SSRI-Medikamente umgestellt wurde.
Die Diagnose: „Doro leidet an einer schweren chronifizierten Zwangsstörung… ….die Zwangsgedanken und -handlungen beeinträchtigen wenigstens 80 % des wachen Tages. “
Dort verbrachte sie 13 teils auch für mich sehr anstrengende Wochen, da sie bei der Therapie oft nicht sehr kooperativ war und der Arzt sie mindestens 2 mal sofort entlassen wollte.
Vom behandelnden Arzt kam die dringende Empfehlung für eine betreute Wohngruppe der Jugendhilfe mit mindestens 1:1,5.
Ich wandte mich an das zuständige Jugendamt, wo ich an einen sehr kompetenten und verständnisvollen Mitarbeiter geriet. Ich sollte abwarten und nichts unternehmen, das Jugendamt wollte ein passende Einrichtung für meine Tochter suchen.
Drei Tage vor unserem Urlaub kam ein Anruf vom Jugendamt, dass zwei mögliche Einrichtungen für meine Tochter gefunden wurden, sie selbst befand sich noch in der Klinik.
Wir mussten uns dann sehr schnell, innerhalb von 2 Tagen entscheiden. Der Arzt veranlasste Doros Entlassung.
Auszug aus dem Entlassungsbericht für`s Jugendamt:
„ wir empfehlen, dass Doro …in einer Wohngruppe der Jugendhilfe lebt, vom ambulanten Therapeuten unterstützt. Eine Alternative sehen wir nicht. Die Prognose ist sehr ungünstig. Wenn es nicht zu maßgeblichen Änderungen im Hilfesystem und Setting kommt, ist eine Frühberentung nicht abzuwenden.“
Direkt von der Uniklinik fuhren wir nach Wernigerode und nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Leiterehepaar Christoph und Gabriele Spamer, Vorstellung der Weissen-Villa-Harz und Rundgang sagte meine Tochter „JA“ und ich natürlich auch.
Mit Beginn des neuen Schuljahres im August 2009 wurde sie dort aufgenommen.
Die zu diesem Zeitpunkt noch recht familiäre Atmosphäre und die intensive psychologische und sozialpädagogische Hilfe der Mitarbeiter, besonders von Spamers, halfen ihr, sich gut einzugewöhnen.
Sie wurde dort sehr schnell und sehr konsequent an einen strukturierten Tagesablauf herangeführt. Auftretende problematische Situationen wurden und werden sofort behandelt, und wenn es mitten in der Nacht ist.
Anfangs besuchte sie das Gymnasium, was sich aber noch als zu anstrengend für sie herausstellte. So wurde kurzfristig ein Wechsel auf die Realschule veranlasst.
Die Zusammenarbeit mit den Schulen ist intensiv, es gibt bei Problemen kurzfristige Rückmeldungen.
Da sie immer eine sehr gute Schülerin war, war der Schulwechsel für sie sehr entspannend und sie konnte sich durch die kompetente Hilfe der Mitarbeiter der Weissen Villa auf ihre psychischen Probleme konzentrieren und zielgerichtet daran arbeiten.
In der Weissen-Villa-Harz werden Jugendliche mit den verschiedensten Problemen betreut. Dabei steht nicht die Krankheit oder das Problem im Vordergrund, sondern der junge Mensch als Persönlichkeit . Das war für mich etwas völlig Neues, ganz anders als in den Kliniken.
Die Grundlage der Arbeit mit den Jugendlichen basiert auf dem Enneagramm. Dazu wird auf den regelmäßig stattfindenden Elternseminaren ausführlich informiert.
Dabei ist auch viel Gelegenheit, sich mit anderen Eltern auszutauschen.
Dies und die Elterngespräche halfen mir, meine Tochter, ihr Verhalten und manche Situaitionen viel besser zu verstehen und manches zu verändern, auch bei mir.
Nach ca. 2 Jahren waren deutliche positive Veränderungen bei ihr zu sehen.
Sie wechselte in die Außenwohngruppen, wo die Jugendlichen schrittweise immer selbständiger leben müssen.
Sie konnte den erweiterten Realschulabschluss als Klassenbeste machen und zwei weitere Jahre die Fachoberschule besuchen.
Vor kurzem hat sie die Fahrprüfung bestanden und hat konkrete Pläne nach dem Abitur für ihr weiteres Leben, sie möchte im Herbst ein Studium an einer Fachhochschule beginnen.
Dank der vier Jahre in der Weissen-Villa-Harz sieht es nicht mehr nach Frühberentung aus!