Erfahrungen der Eltern

Familie B.

Als Vater wurde ich in der Weißen Villa erstmalig ins Boot geholt. Fünf Jahre zuvor hatte ich ergebnislos auf ein pädagogisches Problem aufmerksam gemacht. Die Beurlaubungen zu mir wurden von der Villa flankiert und begleitet. Dadurch war es für mich nur noch weitmaschig erforderlich, Absprachen mit Annikas Mutter herzustellen. Im Punkt des Wegbleibens und Feierns am Abend hatte Annika nach wie vor eigenmächtige und selbstgerechte Vorstellungen. Einerseits wurde eine aushäusige Übernachtung z.B. bei einer Freundin von Seiten der Villa als Belohnung und zur Motivation eingesetzt, zum anderen gab es einen Verhaltensvertrag zwischen Frau Vogt, Annika, der Villa und mir, der schließlich die nächtlichen Eskapaden stoppen konnte. Wenn Annika nämlich wegbleibt, kontaktieren sich die Eltern und treffen weitere Maßnahmen wie Fahndung, suchen, abholen usw. Das hat dann wohl geholfen. Bloß als Annika bei einem Konzert hängen blieb, lehnte die Polizei die Fahndung ab, weil die Sorgeberechtigte verreist war. Insgesamt ist das minderjährige Nachtleben schon riskant, nicht zuletzt für die Aufsichtsperson. Schließlich liefen die Wochenenden ruhiger und Annika ging jederzeit ans Handy. Für mich trat in dem Moment eine große und nachhaltige Erleichterung ein….

Neben den Gesprächen mit der Familie erhielt ich regelmäßig Gespräche mit der Sozialarbeiterin und mit Herrn Spamer. Meine Familiengeschichte hat Herr Spamer mit den sog. „Fallstricken“ ausführlich erfasst. Im Verlauf konnte ich mich -auch durch die Vorstellung des Musters bei einem Elternseminar- mit dem enneagrammatischen Muster 4 identifizieren und es fiel mir bei dem Seminar manche Schuppe von den Augen. Es geht da um das Wesenhafte, nicht so sehr um Erklärungen. Die Enneagrammarbeit wird den Eltern ebenso wie den Jugendlichen und den Mitarbeitern angetragen. Eine Auseinandersetzung wegen einem Handyvertrag zwischen Frau Vogt und mir wurde von der Villa detailiert aufgegriffen und bearbeitet.

Für Annika war die ganz intensive Behandlung in den ersten Wochen und Monaten sehr wichtig. Sie konnte allmählich Vertrauen fassen und brauchte die Zuwendung und den Respekt. Es war eine kritische Zeit. Die stationäre Aufnahme war wichtig als Schutz und neuen Bezugsrahmen. Als Muster 8 wurde Annika früher beurlaubt als andere. Bei dem ersten Jugendamtsgespräch hatte Frau Spamer mit Annika eine ausdrucksstarke, identitätsstiftende Collage erstellt. Annika wurde in ihrer Persönlichkeit gesehen und gefordert. Die Beziehung zu Ihrer Mutter wurde gefördert, nach einer initialen Karenz gab es Beurlaubungen und gemeinsame Reisen. Die schulische Leistung wurde intensiv gefördert. Annika brauchte eine anhaltende Unterstützung bei anhaltendem Schulversagen. Die erforderlichen Schul- und Klassenwechsel wurden von der Villa begleitet, bis Annika 2011 endlich das ersehnte Erfolgserlebnis hatte. Anfang 2012 wurde Annika in den alltäglichen Belangen zu mehr Selbständigkeit trainiert. Die Beziehung zu einem Mitbewohner wurde in guten und nicht mehr ganz so guten Zeiten von den Mitarbeitern der Villa mitgetragen und unterstützt. Annika hat in dieser Atmosphäre wesentliche Schritte zur Stabilisierung und Reifung gehen können. Annika konnte wieder intensiveren Kontakt zu Ihrer Mutter aufbauen, möchte eine Wohnung in Hamburg beziehen und dort das Fachabitur im kommenden Jahr ablegen. Eine Nachsorge für Annika ist in der Villa inklusive Angehörigengesprächen geplant.

Vermutlich werden die Beziehungserfahrungen der vergangenen 4 Jahre für Annikas weiteres Leben ganz wesentlich sein.